Sonntag, 28. Mai 2023

Es gibt eine neue Ninja ...

Dieses Jahr hat Kawasaki offiziell eine neue Ninja vorgestellt: die ZX-4R (auch als Doppel-R erhältlich). In den USA kann man sie bereits erwerben, für Europa ist die Markteinfuhr im Herbst 2023 geplant. Wie die Modellbezeichnung "ZX" bereits vermuten lässt, handelt es sich hier um einen Supersportler mit Reihenvierzylindermotor. Damit dürfte Kawasaki momentan so ziemlich der einzige Hersteller sein, der in diesem Segment einen Vierzylindermotor anbietet - was nicht verwundert, denn schließlich gibt es ja auch schon die ZX-25R mit 250 ccm Reihenvierer, wenn auch nur für den asiatischen Markt und zu einem exorbitanten Preis.

Warum schreibe ich das? Zum einen, weil ich selbst zufriedener Besitzer einer 2020er Ninja 400 bin, und zum anderen, weil ich gerade darüber nachdenke, ob ein Umstieg auf die ZX-4R für mich in Frage käme. Die Vorteile wären hauptsächlich der hochdrehende Vierzylindermotor, die besseren Bremsen und das bessere Fahrwerk für "echtes" Supersport-Feeling, bei gleichzeitig immer noch recht kommoder Sitzposition für eine gute Alltagstauglichkeit.

Mit bis zu 80 PS hat die ZX-4R 35 PS mehr als die Ninja 400 (45 PS), was theoretisch für eine Topspeed um die 230 km/h reichen dürfte. Die Ninja 400 schafft da zähneknirschend 200 km/h, wenn der Fahrer nicht gerade der schwerste ist. Bei der Beschleunigung von 0 auf 100 km/h dürfte der Unterschied allerdings geringer ausfallen, da das maximale Drehmoment der ZX-4R (je nach Quelle zwischen 35 und 42 Nm) sich kaum von dem meiner 2020er Ninja 400 mit 38 Nm unterscheidet, die ZX dafür aber schon im fünfstelligen Bereich drehen muss. Sie wird der Ninja 400 daher wohl kaum mehr als eine halbe Sekunde abnehmen können.

Was die Optik angeht, sehen beide Motorräder meiner Meinung nach recht ansprechend aus. Hier ist die 2020er Ninja 400:

Und hier die neue ZX-4RR:
Die ZX-4R wirkt bulliger und kommt "geduckter" daher, und mit der Doppelscheiben-Bremse vorn und den breiteren Reifen (120/160 im Gegensatz zu 110/150 bei der Ninja 400) wirkt sie auch etwas erwachsener. Aber leider hat das auch seinen stolzen Preis: mit vermutlich knapp unter 10.000 € wird die ZX-4R fast schon so teuer sein wie eine ZX-6R, die mit 636 ccm Hubraum und ca. 130 PS eine echte Supersportlerin für die Rennstrecke ist.

Schauen wir uns zunächst mal die Vorteile der ZX-4R an:

  • Reihenvierzylindermotor mit deutlich höherer Leistung und coolerem Sound als der Reihenzweizylindermotor der Ninja 400 - meiner Meinung nach definitiv der größte Vorteil!
  • Besseres Fahrwerk/Federung mit Upside-Down-Gabel, mehr Einstellmöglichkeiten, bessere Bremsen - meiner Meinung nach nur ein echter Vorteil auf der Rennstrecke. Im normalen Straßenverkehr sind Fahrwerk/Federung und Bremsen der Ninja 400 in ihrer Standardeinstellung vollkommen ausreichend.
  • TFT-Display mit Bluetooth-Konnektivität und neben ABS auch Traktionskontrolle und diverse Riding-Modes - meiner Meinung nach außer ABS nur elektronischer Schnickschnack, ohne den ich sehr gut leben kann. Und ABS hat die Ninja 400 auch. Neben dem analogen Drehzahlmesser (den übrigens immer noch einige Fahrer bevorzugen) hat die Ninja 400 alle wichtigen Informationen wie Gang-, Treibstoff- und Temperaturanzeige etc. ebenfalls im Cockpit.
  • Die ZX-4RR kommt standardmäßig mit einem Quickshifter - auch das ist meiner Meinung nach nur auf der Rennstrecke ein wirklicher Vorteil.

Und nun die Vorteile der Ninja 400:
  • Der Preis! Man bezahlt gut und gerne 4.000 € weniger.
  • Mit nur 168 kg ist die Ninja 400 ganze zwanzig Kilo leichter als die ZX-4R (188 kg).
  • Wirtschaftlicher, weil der Zweizylindermotor weniger verbraucht und man vermutlich nicht nur bei Steuer und Versicherung spart (aufgrund der geringeren Leistung - die Ninja 400 ist schließlich "nur" ein A2-Moped), sondern sicherlich auch bei den Wartungskosten. Und es kann weniger kaputt gehen, da es außer ABS keinerlei elektronischen Schnickschnack gibt.
  • Größere Reichweite - obwohl die ZX-4R einen Liter mehr im Tank hat (15 statt 14), kommt man mit ihr vermutlich nur ca. 200 - 250 Kilometer weit (300 - 350 km mit der Ninja 400).
  • Die Ninja 400 hat eine etwas bequemere Sitzposition, d.h. man sitzt noch etwas aufrechter als auf der ZX-4R und die Fußrasten sind ein bisschen weiter vorne. Damit dürfte sie langstreckentauglicher sein, wobei sie allerdings noch lange kein Sporttourer wie die Ninja 650 ist. ;-)

Fazit

Für die Rennstrecke ist die ZX-4R zwar geeignet, aber für ca. zweitausend Euro mehr würde ich dann doch lieber direkt zur ZX-6R greifen; denn gegen die hat die ZX-4R keine Chance. Für die Straße wäre sie mit ihren noch "moderaten" 80 PS besser geeignet. Aber bei dem anvisierten Preis steht sie in direkter Konkurrenz zu einer Honda CBR650R, was eventuell hier die bessere Wahl wäre.
 
Sie würde also nur Sinn machen, wenn sie max. zweitausend Euro mehr kosten würde als die Ninja 400 (und somit etwa zweitausend Euro weniger als die CBR650R) - dann wäre sie eine echte Alternative mit jeder Menge Supersportler-Flair, eine spaßige und alltagstaugliche Mini-ZX. So aber wird sie vermutlich wie schon die ZX-25R eher ein Nischenprodukt für Enthusiasten sein, das nichtsdestotrotz mit großer Spannung erwartet werden und wohl erst mal schwer zu bekommen sein dürfte.